Silberbornbad Bad Harzburg, oder: "Book Ends" der Freibadsaison 2016

  • Ich musste meine Freibadsaison-Abschluss-Tour wegen dienstlicher Belange um eine Woche vorverschieben, was aber nicht das schlechteste war, da ich so vermutlich die allerbeste Zeit fürs Open-Air-Baden erwischt habe. So war ich von letztem Donnerstag bis heute in Hildesheim, ganz nahe der JoWiese.
    Gestern schlug ich mich trotz der unmittelbaren Nähe zum vielleicht besten Freibad Niedersachsens dazu breit, noch was anderes anzusehen, -schwimmen und -rutschen und die Wahl fiel auf das Silberbornbad in Bad Harzburg. Bad Harzburg selbst erreicht man von Hildesheim aus mit dem RE10 der Bahngesellschaft erixx, welcher seinen Anfang in Hannover Hbf hat, der Fußweg zum Bad beträgt knappe 2km, es gibt auch einen Bus, der kurz nach Ankunft des Zuges vom Bahnhofsplatz abfährt (allerdings nicht direkt vor dem Bahnhof), aber erst einmal einen Schnittmusterbogen in gefühltem Schritttempo durch die gesamte Stadt gurkt und somit 25 Minuten braucht - genau so lange, als würde man laufen.


    Der Eintrittsbereich ist unscheinbar, etwas in die Jahre gekommen, aber sauber und gepflegt. Eine Erwachsenen-Tageskarte kostet 6,50 Euro, was für ein Kombibad recht akzeptabel ist. Wenn man den kleinen Saunabereich mit nutzen möchte, sind magere 2,50 mehr fällig, allerdings kostet späteres nachzahlen 5,30 Euro. Alles in allem also ein recht günstiges Badevergnügen.
    Man bekommt einen Plastikchip ausgehändigt, Nur-Bad-Besucher ziehen sich dann im Schwimmhallenbereich in nach Geschlechtern getrennten Sammelumkleiden um. Für Familien gibt es hierbei auch zwei gemischte "Familienumkleiden". Der Chip wird auf der Rückseite in das Schrankschloss gesteckt, ähnlich wie bei den Schränken, bei denen ein Euro Pfand zum Einsatz kommt.
    Saunabesucher müssen in den Sauna-Umkleidebereich, die Tür dorthin entriegelt der entsprechend gebuchte Chip an einem Lesegerät. Die Schränke haben hier das Chip-In-Schlüssel-System, vermutlich noch aus seinen Anfangszeiten, denn die Typenschilder tragen noch vierstellige Postleitzahlen. Aber auch hier: Alles tip-top sauber und gepflegt, und technisch sehr gut in Schuss. Was funktioniert, muss eben nicht alle Nasen lang ausgetauscht und erneuert werden.
    Ist man dann erst einmal geduscht, kann es auch schon gleich losgehen. Ich fange mal beim Saunabereich an, weil der recht schnell abgehandelt ist. Es handelt sich um eine typische Schwimmhallensauna, wie sie vermutlich in den 1970ern und 1980ern, als das mit Saunen in öffentlichen Bädern so langsam losging, alltäglich waren. Ein zentraler Raum bietet ein Tauchbecken, eine Schwalldusche, einen Kipp-Eimer, einen Schlauch und Fußbäder. Hier befindet sich auch der Eingang in die 90-Grad-Innensauna. Aufgüsse gibt es hier nicht, aber es steht ein Eimer mit Duftwasser mit Menthol-Aroma zur Verfügung, den man sich selbst aufgießen darf. Bei 9 Euro für den Sauna-Tarif ist diese Lösung auf jeden Fall akzeptabel.
    Für frische Luft steht eine winzig kleine Terrasse zur Verfügung, an welche die zweite Sauna, eine Blockhaussauna, vermutlich nachträglich angebaut wurde. Diese hat einen hölzernen Vorraum und ist mit 80 Grad etwas kühler als die Innensauna. Sie ist auch etwas kleiner. Auch hier steht ein Eimer zum selbst aufgießen zur Verfügung. Sicher ist das kein Saunabereich, in dem man den ganzen Tag verbringt, aber er rundet das Angebot des Bades prima ab. Zwischen den ganzen Rutschdurchgängen mal kurz verschnaufen bei Mentholduft - dafür ist er ideal. Außerdem sicher auch an den ersten Mai-Tagen kurz nach Baderöffnung (obwohl es sich um ein Kombibad handelt, ist es nur zwischen 1. Mai und 30. September offen). Die 2,50 Euro Aufpreis zum Nur-Bad-Tageseintritt sollte man auf jeden Fall investieren und diesen Bereich mitnehmen.
    Ins Bad wechselt man über den Umkleidebereich, und befindet sich erst einmal in der Schwimmhalle. Diese ist mit Lehr- und 25m-Becken eher sportlich orientiert. Vom Umkleidebereich aus rechts gelangt man zur Gastronomie, die die schwimmbadtypischen Gerichte wie Currywurst, Pommes, Nuggets, Burger etc. zu üblichen Preisen im Angebot hat, außerdem ist hier das Kleinkinderplanschbecken. An der hinteren Seite findet man ein kleines Wellnessbecken, das im Grunde ein etwas größerer, warmer Whirlpool ist; dazu gesellt sich ein kaltes Tauchbecken. Ebenso den Einstieg ins Erlebnisbecken findet man hier.
    Dieses ist nahezu vollständig draußen und verfügt über eine Reihe verschiedener Attraktionen: Sprudelliegen, einen recht sanften Strömungskanal, eine Grotte mit Wasserfall davor und Regen darin und zwei Massagebuchten - Einbuchtungen des Beckens mit Massagedüsen. Es gibt hier auch Griffe, an denen man sich festhalten kann, so dass man nicht vom Strahl weggetrieben wird. Eine Brücke führt über den Durchschwimmkanal zur Halle, hier wurde ein künstlicher Berg angelegt, auf dessen Gipfel ein weiterer Whirlpool ist, den man durch einen Bumper-Schalter sogar selbst anstellen kann. Man hat sich auf jeden Fall Gedanken gemacht bei der Gestaltung dieses Bades.
    Ein paar Treppenstufen höher findet man das zweite Freibadbecken, welches ein großes Nichtschwimmerbecken ohne Attraktionen ist. Hier hinein mündet die kleine Rutsche per Plumpsauslauf, eine etwa 2 Meter hohe offene Rutsche mit sehr schmalem Rinnendurchmesser. Eine Herstellerangabe fehlt, sie ist aber mutmaßlich schon sehr, sehr alt, wenn man sich das Stahlgestell ansieht, auf dem sie steht. Der Verlauf ist eine 360-Grad-Helix, und wenn schwerere Badegäste wie ich darauf rutschen, biegt sie sich bedrohlich nach unten und knarkst dabei laut. Eine obere Altersgrenze gibt es nicht, aber es ist klar eine Kinderrutsche, deshalb blieb es auch bei zwei Durchgängen meinerseits.
    Aber für mich gibt es ja dann noch eine "richtige" Großrutsche von Klarer. Laut Bad ist sie 50m lang, die Referenzliste gibt 56m an (vermutlich mit Landebecken) und als Baujahr 2000. Sie wurde mittlerweile fugenlos beschichtet wie viele ältere Rutschen, fühlt sich dabei an wie eine Rutsche außen, aber man spürt eben, wie der Name sagt, keine einzige Naht mehr. Wenn man sich die Luftbilder bei Google Maps oder Apple Maps ansieht, sieht sie erst einmal wenig spektakulär aus, aber das täuscht. Man startet mit einem recht steilen Drop, der schlagartig ordentlich Höhe abbaut, fliegt in die Linkskurve und wird gleich darauf sehr hart in die Rechtskurve geprügelt. Zeit zum Verschnaufen ist jetzt noch nicht, denn nach einer kurzen Gerade wiederholt sich das Spiel und man donnert in die nächste Linkskurve. Dabei schwingt man bis in die seitlichen Schwallblenden auf. Eine lange Gerade sorgt dafür, dass man ausschaukelt und nach einer letzten, immer noch recht schnell, aber eher weich genommenen Kurve kommt man sanft im Landebecken zum stehen. Eine Ampel gibt es hier nicht, der Landebereich ist aber von oben zu sehen und man soll dann rutschen, wenn der Vorgänger unten ist. Bei der geringen Länge ist die Wartezeit hier auch bei größerem Besucherandrang wie gestern nicht allzu lang. Eine schöne Rutsche, die mit ordentlich Schwung und Dreipunktlage unerwartet heftig und sehr schaukelig ist, und wieder mal zeigt, dass es nicht immer nur auf die Länge ankommt.


    Ganz besonders schön fand ich die Atmosphäre und den sehr kundenfreundlichen Service. Es war bei dem aktuellen Wetter gestern selbstredend proppenvoll, trotzdem war das gesamte Publikum sehr, sehr angenehm. Es setzte sich größtenteils aus Familien mit kleineren Kindern und Senioren (oftmals mit Enkelkindern) zusammen. Was wohl auch an den recht strengen Schwimmmeistern liegt, die jedes Fehlverhalten sofort mit eindringlichen Ermahnungen (inkl. der (Groß-)eltern) sanktionierten. Ich vermute, bei weiteren Verstößen hätte es wohl Badverweise ohne Diskussion gesetzt. Aber das konnte ich nicht nachprüfen, da sich alle betroffenen nach der Ermahnung sofort konsequent an die Regeln hielten. Dementsprechend war auch "Konkret krass alter" Publikum überhaupt nicht vorhanden (oder benahm sich, weil sie sonst rausgeflogen wären).
    Im Saunabereich war es gestern leer, wie ausgestorben. Zum Nachmittag hin war ich dort sogar der einzige Gast. Trotzdem ließ man beide Saunen in Betrieb und füllte sogar beide Aufguss-Eimer in regelmäßigen Abständen wieder auf. Erstaunlich, dass es bisher nach meiner Erfahrung immer nur solche kleinen, unbekannten Stadtbäder mit recht günstigen Eintrittspreisen sind, die sich in Bezug auf Service und Kundenfreundlichkeit mehr als ein Bein ausreißen.


    Also ringsherum wieder ein Bad, von dem ich hellauf begeistert bin. Klar, es ist etwas in die Jahre gekommen, aber super gepflegt, die Attraktionen sind vielfältig, die Rutsche ist gut, die Atmosphäre sehr angenehm und das Personal überaus freundlich und zuvorkommend. Wäre dieses Bad tatsächlich geschlossen worden - dieses Damoklesschwert schwebte schon darüber - hätte die deutsche Bäderwelt wirklich etwas verloren. Hoffentlich bleibt es uns erhalten. Ich sehe keine Konkurrenz zur ebenfalls in Bad Harzburg befindlichen Sole-Therme, denn die hat eine ganz andere Zielgruppe. Die Sole-Therme kann die Wellness-Urlauber und die Senioren abholen, und das Silberbornbad die Familien, oder wenn Oma und Opa mit den Enkelkindern verreisen.


    Daher auch die "Book ends": Meine Saison ging mit einem Geheimtipp los (Harsefeld) und endet mit einem (Silberbornbad). OK, vielleicht endet sie jetzt noch nicht ganz: wenn nächsten Samstag das Wetter nochmal stimmt, fahre ich nochmal zur JoWiese, aber dann stimmt das mit den Book Ends auch.